PROJEKTE – Steinwidder El Hassa
Seit 2000 gräbt ein französisches Team in El Hassa im sudanesischen Butana-Gebiet, historisch auch die Insel von Meroe genannt. Die Grabungsstätte liegt am rechten Nilufer, 20 km südlich der Pyramiden von Meroe, der damaligen meroitischen Hauptstadt. Heute wissen wir, dass einer ihrer Haupttempel dem Gott Amun geweiht war. Er lag im Zentrum der Anlage und auf ihn ausgerichtet auch eine Allee aus 14 Widdern. Die Sandsteinwidder flankierten den Weg vor dem Tempel und fanden ehemals ihren Abschluss in einem fünfzehnten Widder auf der Rückseite des Tempels. Errichtet wurde der Amuntempel durch den meroitischen König Amanakhareqerema in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts.
Ein Team von RAO ist dort seit 2011 mit der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Restaurierung meroitischer Grabungsfunde betraut. Die Widderskulpturen sowie farbige Relieffragmente einer nubischen Königin aus Putz, beides Fundkomplexe aus dem Amuntempel, wurden bislang restauratorisch/naturwissenschaftlich analysiert, restauriert und für eine zukünftige Präsentation vorbereitet. Vier Widder aus Sandstein kamen im Zuge der archäologischen Ausgrabungen 2008 zu Tage und wurden durch uns konservatorisch behandelt. Zwei weitere ursprünglich aus El-Hassa stammende Widder befanden sich lange Jahre im Nationalmuseum in Khartum.
Nach Abschluss der Grabungsarbeiten und der archäologischen Erforschung der meroitischen Anlage 2016 war die gesamte Fundsituation zum Schutz des historischen Bestandes wieder mit dem Grabungsaushub verfüllt worden. Von Amuntempel und Ausgrabungsstätte war so zunächst nichts mehr zu sehen. Um die Bedeutung des historischen Ortes und die Fundlage des Tempels trotzdem visuell in Grundzügen erfassen zu können, entwickelte sich die Idee, die vorhandenen sechs Widder analog ihrer ursprünglichen Position, auf dem derzeitigen etwas höheren Bodenniveau neu zu errichten.
Die beiden Widder aus dem Nationalmuseum Khartum wurden zu diesem Zwecke durch uns abgebaut und nach El-Hassa verbracht. Einer der beiden Widder sollte dort verbleiben und wurde durch unser Team konservatorisch behandelt. Das andere Original wird langfristig wieder im Nationalmuseum präsentiert und wurde deshalb durch uns im Silikonverfahren abgeformt und reproduziert. Anstelle des Originals sollte in Zukunft eine originalgetreue Kopie das Ensemble der Widderallee ergänzen. Nach Herstellung einer Silikonform erfolgte die Reproduktion des ca. 900 kg schweren Widders in Form eines Kunststeingusses. Der Kunststein wurde weitgehend aus lokal verfügbaren Materialien hergestellt, lediglich die Pigmente zum Einfärben des Materials wurden aus Europa importiert. Für eine möglichst vollständige Präsentation bzw. Rekonstruktion der historischen Achse wurden alle fünf restaurierten Widder sowie die Widderkopie aus Kunststein direkt über den ursprünglichen Positionen auf neuen Sockeln durch RAO wieder neu errichtet. Die neuen Postamente sind bewusst keine Rekonstruktionen der originalen meroitischen Exemplare, sondern rechtwinklige schlicht verputzte Kuben ohne Profilierung.